Die Erbschaftssteuer ist ein emotional und politisch aufgeladenes Thema in Deutschland. Während das Steueraufkommen kürzlich Rekordwerte erreicht hat, wird gleichzeitig über massive Reformbedarfe und Gerechtigkeitslücken diskutiert. Dieser Beitrag beleuchtet die aktuelle Entwicklung, die politischen Kontroversen und legale Gestaltungsmöglichkeiten.
Aktuelle Entwicklung des Steueraufkommens
Im Jahr 2024 erreichte das Aufkommen aus Erbschaft- und Schenkungsteuer einen historischen Höchststand von 13,3 Milliarden Euro – ein Plus von 12,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dabei entfielen 8,5 Milliarden Euro auf Erbschaften und 4,8 Milliarden Euro auf Schenkungen .
Interessant ist jedoch, dass das steuerlich berücksichtigte Volumen der Vermögensübertragungen mit 113,2 Milliarden Euro sogar um 6,8 Prozent sank. Dies liegt vor allem an rückläufigen Übertragungen von Betriebsvermögen. Experten wie Sebastian Dullien vom IMK gehen davon aus, dass die tatsächlichen Vermögensübertragungen mit etwa 400 Milliarden Euro pro Jahr weit höher liegen .
Tabelle: Entwicklung der Erbschaft- und Schenkungsteuer
| Jahr | Erbschaftsteuer | Schenkungsteuer | Gesamtaufkommen |
|——|—————–|—————–|—————–|
| 2023 | 7,76 Mrd. € | 4,07 Mrd. € | 11,83 Mrd. € |
| 2024 | 8,50 Mrd. € | 4,80 Mrd. € | 13,30 Mrd. € |
Wie kam es zu diesen Veränderungen?
Die Diskrepanz zwischen dem gestiegenen Steueraufkommen und dem gesunkenen Volumen der Vermögensübertragungen lässt sich durch mehrere Faktoren erklären:
1. Wertsteigerungen vorhandener Vermögenswerte: Durch Inflation und Immobilienpreissteigerungen können höhere Steuern anfallen, auch wenn die übertragene Menge an Vermögenswerten gleich bleibt.
2. Geänderte Gesetzgebung: Das Erbschaftsteuergesetz wurde mehrfach novelliert. So wurde zum 06.12.2024 der pauschale Abzug für Bestattungskosten und andere Kosten von 10.300 Euro auf 15.000 Euro erhöht . Kleinere Anpassungen gab es auch bereits zum 01.01.2024 .
3. Gestiegene Scheu vor Betriebsübergaben: Die Unsicherheit über die wirtschaftliche Entwicklung könnte dazu führen, dass weniger Betriebsvermögen übertragen wird.
Politische und gesellschaftliche Diskussion
Die Debatte um die Erbschaftsteuer ist stark polarisiert. Auf der einen Seite argumentieren Wirtschaftsverbände wie die Stiftung Familienunternehmen, die Erbschaftsteuer gehe „an die Substanz“ von Familienunternehmen und gefährde Arbeitsplätze . Auf der anderen Seite verweisen Gewerkschaften und progressive Think-Tanks auf die Gerechtigkeitslücke.
Kern der Kritik ist das sogenannte „Betroffenheitsparadoxon“: Viele Bürger befürchten, von einer Erbschaftsteuer-Reform betroffen zu sein, obwohl die großzügigen Freibeträge (500.000 € für Ehepartner, 400.000 € für Kinder) sie eigentlich schützen . Tatsächlich konzentrieren sich die Steuervorteile auf sehr hohe Vermögen. Studien zeigen, dass auf Schenkungen von Vermögen über 20 Millionen Euro in den letzten 10 Jahren im Schnitt weniger als 1 Prozent Steuern anfielen .
Die Friedrich-Ebert-Stiftung schätzt, dass dem Staat jährlich 5 bis 10 Milliarden Euro durch Steuerschlupflöcher entgehen . Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits 2014 die umfassenden Steuerbefreiungen für Unternehmenserben als verfassungswidrig kritisiert, doch die anschließende Reform brachte nur kosmetische Korrekturen .
Aktuell diskutierte Vorschläge für eine Reform:
– Einführung eines lebenslangen Freibetrags von mindestens einer Million Euro pro Person.
– Abschaffung oder Reform der Verschonungsbedarfsprüfung für sehr große Vermögen über 26 Millionen Euro .
– Progressivere Steuersätze, die mit der Höhe des Erbes ansteigen.
– Vereinfachung durch Zusammenlegung von Erbschaft- und Schenkungsteuer zu einer einzigen Transfersteuer.
Gestaltungsmöglichkeiten für Erblasser
Angesichts der komplexen Gesetzeslage und möglicher Reformen ist eine vorausschauende Planung essentiell. Diese legalen Möglichkeiten stehen Erblassern zur Verfügung:
1. Testamentarische Gestaltung
– Berliner Testament: Ehegatten setzen sich gegenseitig als Erben ein und die gemeinsamen Kinder als Schlusserben. So können die hohen Freibeträge zwischen Ehepartnern genutzt werden.
– Vorweggenommene Erbfolge: Durch Schenkungen zu Lebzeiten können die alle 10 Jahre nutzbaren Freibeträge mehrfach ausgeschöpft werden.
2. Gründung von Familienstiftungen
Die Übertragung von Vermögen auf eine rechtsfähige Familienstiftung kann ein effektives Instrument des Vermögensschutzes und der Nachfolgeplanung sein. Allerdings unterliegt das Stiftungsvermögen alle 30 Jahre der Erbersatzsteuer .
– Vorteile: Langfristige Sicherung des Familienvermögens, Schutz vor Zerschlagung durch Erbteilungen.
– Nachteile: Bei der Gründung gilt nur ein Freibetrag von 100.000 Euro (nicht 400.000 Euro wie für Kinder), wenn die Stiftungssatzung auch spätere Generationen (Urenkel) begünstigt.
– Die Steuerlast kann über 30 Jahre gestreckt werden, allerdings mit einem Zinssatz von 5,5 %.
3. Nießbrauchregelungen
Um die Steuerbefreiung für den Erwerb des Familienheims zu behalten, muss der überlebende Ehegatte sowohl das Eigentum als auch die Selbstnutzung für 10 Jahre beibehalten. Die Übertragung des Eigentums unter Vorbehalt eines Nießbrauchs führt zum Wegfall der Steuerbefreiung.
Fazit
Die Erbschaftsteuer in Deutschland befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen fiskalischen Interessen, Gerechtigkeitspostulaten und der Angst um den Erhalt von Unternehmen und Arbeitsplätzen. Während das Steueraufkommen nominal steigt, deuten die großen Volumina steuerfreier Übertragungen und die Konzentration der Begünstigungen auf sehr hohe Vermögen auf erhebliche Schieflagen hin.
Eine Reform erscheint notwendig, um das System gerechter, transparenter und widerspruchsfreier zu gestalten. Bis dahin bleibt für Erblasser die Notwendigkeit, sich frühzeitig und professionell beraten zu lassen, um die legalen Gestaltungsspielräume intelligent zu nutzen.
Dieser Beitrag soll für die Problematik sensibilisieren. Es handelt sich um keine Rechts- und keine Steuerberatung. Insofern wird keine Haftung übernommen. Konsultieren Sie für eine individuelle Beratung bitte Ihren persönlichen Berater.
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